Venenthrombose und Krebserkrankung
Informationskampagne der Deutschen Seniorenliga
Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung sind deutlich anfälliger, eine Venenthrombose zu erleiden. Eine neue Kampagne der Deutschen Seniorenliga macht auf diesen Zusammenhang aufmerksam und informiert über die Möglichkeiten der Thrombosevorbeugung und frühen Therapie.
Was haben Thrombose und Krebs miteinander zu tun? Mehr, als Sie vielleicht denken. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass es zwischen Krebserkrankungen und Thrombosen einen Zusammenhang gibt. Patienten mit einer Krebserkrankung haben ein etwa 8-mal höheres Risiko für eine tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie als Menschen ohne Tumorerkrankung. Zudem ist bekannt, dass eine akute tiefe Venenthrombose auf eine Krebserkrankung hindeuten kann, selbst wenn diese noch im Frühstadium ist und möglicherweise noch gar nicht diagnostiziert wurde. Treten Krebs und Thrombose gleichzeitig auf, spricht man von einer krebsassoziierten bzw. krebsbedingten Thrombose.
Frühzeitig erkannt, lassen sich Thrombosen gut behandeln. Das gilt auch für krebsbedingte Thrombosen. Krebspatienten sind durch den Krebs und die Krebstherapie jedoch geschwächt. Hinzu kommt, dass eine Thrombose den Verlauf der Krebserkrankung und die Lebensqualität ganz erheblich verschlechtern kann. Daher ist es besonders wichtig, dass Krebspatienten die Möglichkeiten der Thrombosevorbeugung nutzen und bei Thrombosesymptomen ihren Arzt kontaktieren, damit sie möglichst früh eine passende Therapie erhalten.
Eine Venenthrombose ist bereits ohne Krebserkrankung eine schwerwiegende Erkrankung, die eine lebensbedrohliche Lungenembolie oder ein postthrombotisches Syndrom nach sich ziehen kann.
Für Krebspatienten bedeutet eine Venenthrombose weitere Risiken. Denn sie kann den Verlauf der Krebserkrankung negativ beeinflussen und die Chancen einer erfolgreichen Krebstherapie verschlechtern.
Entstehung einer Thrombose
Um zu verstehen, warum eine Krebserkrankung ein schwerwiegender Risikofaktor für Thrombose ist, muss man sich das Krankheitsbild der Thrombose ansehen. Eine Thrombose hängt mit der Gerinnungsfähigkeit des Blutes zusammen. Sobald ein Blutgefäß verletzt ist, setzt die Blutgerinnung ein und sorgt dafür, dass die Wunde schnell verschlossen wird. An diesem komplizierten Vorgang, der oft als Gerinnungskaskade bezeichnet wird, sind Blutplättchen (Thrombozyten) sowie verschiedene Proteine, sogenannte Gerinnungsfaktoren, beteiligt. Die Blutplättchen lagern sich zunächst rund um die Wunde an und decken diese ab. Gleichzeitig werden nach und nach verschiedene Gerinnungsfaktoren aktiviert, so dass die Ansammlung der Blutplättchen schließlich von einem Netz aus Proteinfasern (Fibrinfasern) zusammengehalten wird. Dieser Pfropf, der zum Verschluss der Wunde führt, wird als Blutgerinnsel oder Thrombus bezeichnet. Nachdem die Wunde verheilt ist, löst sich normalerweise der Thrombus wieder auf.
Aus verschiedenen Gründen kann das komplizierte System der Blutgerinnung gestört sein. Kommt es dazu, dass ein Blutgefäß durch einen Thrombus verengt oder verstopft ist, entsteht eine Thrombose. Befindet sich der Thrombus in einer Schlagader (Arterie), wird von einer arteriellen Thrombose gesprochen. Sehr viel häufiger bildet sich eine Thrombose jedoch in den Venen, insbesondere in den Bein- und Beckenvenen. Besonders gefürchtet sind tiefe Venenthrombosen (TVT). Sie betreffen die tiefliegenden Venen. Diese verlaufen eingebettet in die Muskulatur entlang der Knochen. Wenn sich dort das Gerinnsel oder ein Teil davon von der Gefäßwand löst, kann es mit dem Blutstrom durch das Gefäßsystem geschwemmt werden und zur Verengung oder zum Verschluss von Gefäßen führen. Dies bezeichnet man als Embolie. Gefährlich ist der Verschluss eines Gefäßes in der Lunge (Lungenembolie).
Tiefe Venenthrombosen und Lungenembolie werden unter dem Begriff venöse Thromboembolien (VTE) zusammengefasst. Hierbei handelt es sich um schwerwiegende Gefäßerkrankungen. Sie können die Gefäße dauerhaft schädigen und zu einer Unterversorgung des umliegenden Gewebes führen. Mögliche Komplikation ist ein postthrombotisches Syndrom (PTS), das mit Schmerzen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen einhergeht und massive Auswirkungen auf die Lebensqualität hat. Eine Lungenembolie kann schlagartig schwere Atemnot auslösen.
Venöse Thromboembolien (VTE) sind die häufigste und gefährlichste Komplikation für Krebspatientinnen und -patienten.
Ursachen von Venenthrombosen
Das Entstehen einer Thrombose wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Der Berliner Pathologe Rudolf Virchow hat bereits im Jahr 1856 die drei wesentlichen Gründe beschrieben (sogenannte Virchow'sche Trias): Veränderungen der Gefäßwand, verminderte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes und Veränderungen der Blutzusammensetzung. Dahinter steckt eine Reihe von Auslösern und Risikofaktoren mit unterschiedlich starkem Einfluss auf das Thrombosegeschehen.
Einige wichtige Risikofaktoren für Venenthrombose
- Blutgerinnungsstörungen
- Große Verletzungen und Operationen (z. B. Hüft- oder Kniegelenkersatz)
- Vorausgegangene Venenthrombose
- Herzschwäche
- Krebserkrankungen
- Autoimmunerkrankungen
- Infektionen (Lungenentzündung, Harnwegsinfektion und HIV-Infektion)
- Diabetes mellitus
- Bluthochdruck
- Krampfadern
- Einnahme von Hormonpräparaten (Antibabypille oder Präparate gegen Beschwerden in den Wechseljahren)
- Chemotherapie
- Einnahme von Medikamenten, die die Bildung roter Blutkörperchen anregen (EPO)
- Bettlägerigkeit und längere Immobilität
- Übergewicht (Adipositas)
- Höheres Lebensalter
- Schwangerschaft
Veränderungen der Gefäßwand können durch Verletzungen, Entzündungen der Gefäße oder des umliegenden Gewebes sowie durch andere Erkrankungen entstehen. Medizinische Eingriffe wie Operationen und Katheter sind dabei wichtige Faktoren. Eine verminderte Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in den Beinvenen hängt meist mit mangelnder Bewegung zusammen. Die Beinvenen sind in die Muskulatur eingebettet. Der Wechsel aus Muskelanspannung und -entspannung wirkt wie eine Pumpe und sorgt dafür, dass das Blut in den Venen nach oben Richtung Herz gepumpt wird. Fehlt die Muskelpumpe, also die Bewegung, fließt das Blut langsamer. Lange Bettlägerigkeit infolge von Erkrankungen oder Operationen ist daher ein großer Risikofaktor für Thrombose. Der Blutfluss kann aber auch verlangsamt sein, wenn die Gefäße durch äußeren Druck eingeengt sind. Das passiert z. B. bei langem Sitzen mit angewinkelten Beinen im Flugzeug. Weitere mögliche Ursachen sind eine Herzschwäche und ausgeprägte Krampfadern, die zu einer Überdehnung der Venen führen. Durch Veränderungen der Blutzusammensetzung kann die Blutgerinnung so gestört sein, dass eine Gerinnungsneigung entsteht. Bei manchen Menschen ist eine solche Gerinnungsstörung erblich bedingt. Sie kann sich auch infolge von Krankheiten oder durch die Einnahme bestimmter Medikamente entwickeln.
Symptome
Die Symptome einer tiefen Venenthrombose sind nicht immer eindeutig. Betroffene vermuten daher oft nicht, dass eine schwerwiegende Gefäßerkrankung dahintersteckt.
Die Schmerzen in den Beinen, insbesondere in der Wade, erinnern an Muskelkater. Manche empfinden es auch nicht als Schmerz, sondern sprechen von einem müden, schweren Bein und Spannungsgefühlen.
Deutliche Warnsignale sind Schwellungen der Beine. Die Schwellung kann im Bereich der Thrombose, z. B. am Fußknöchel oder Unterschenkel, auftreten, es kann aber auch das gesamte Bein angeschwollen sein. Zudem ist die betroffene Region häufig druckempfindlich und fühlt sich warm an.
Äußerlich erkennbare Anzeichen für eine tiefe Venenthrombose sind hervortretende Adern, sogenannte Warnvenen, und Hautveränderungen. Die Haut verfärbt sich bläulich rot und wirkt glänzend.
Krebserkrankung als Risikofaktor für Venenthrombose
Bei einer Krebserkrankung treffen u. U. mehrere Risikofaktoren zusammen. So kann die Krebserkrankung selbst, aber auch die Behandlung mit Chemotherapie und Bestrahlung die Blutzusammensetzung hin zu einer Gerinnungsneigung verändern. Hinzu kommen mögliche chirurgische Eingriffe und Einschränkungen bei der körperlichen Aktivität, die ebenfalls das Thromboserisiko erhöhen. Man schätzt, dass etwa ein Fünftel aller venösen Thromboembolien mit einer Tumorerkrankung im Zusammenhang steht. Einfluss auf das Entstehen einer Thrombose haben dabei die Art des Krebses, das Krebsstadium und die Krebstherapie. Außerdem spielen noch individuelle Risikofaktoren des Patienten eine Rolle, also z. B. das Lebensalter oder weitere Erkrankungen.
Behandlung
Jeder Verdacht auf eine Venenthrombose sollte möglichst schnell medizinisch abgeklärt werden. Nach der ärztlichen Diagnose startet meist sofort die Behandlung mit gerinnungshemmenden Medikamenten. Diese Medikamente werden allgemein als Antikoagulanzien bezeichnet. Die Therapie heißt entsprechend Antikoagulation. In den allermeisten Fällen kann diese Therapie ambulant durchgeführt werden. Patienten müssen nur bei sehr schwerer Thrombose, hohem Blutungsrisiko oder schweren Grunderkrankungen stationär im Krankenhaus behandelt werden.
Für die Antikoagulation stehen verschiedene Präparate unterschiedlicher Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Es gibt orale Antikoagulanzien, also Medikamente, die in Tablettenform eingenommen werden, und Medikamente, die unter die Haut gespritzt werden (parenterale Antikoagulanzien). Die Wahl der Medikamente richtet sich nach den individuellen Voraussetzungen des Patienten. Dabei muss vor allem beachtet werden, dass alle Gerinnungshemmer die Blutungsneigung begünstigen. Das ist z. B. im Fall von Verletzungen und bei bestimmten Vorerkrankungen mit Risiken verbunden. Sind operative Eingriffe geplant, wird dies bei der Thrombosetherapie berücksichtigt.
Thrombosetherapie für Krebspatienten
Bei Venenthrombosen, die mit einer Krebserkrankung in Zusammenhang stehen, hängt die Wahl der gerinnungshemmenden Medikamente auch davon ab, um welche Art von Krebs es sich handelt, wie stark sich der Tumor ausgebreitet hat und wie der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten ist. Dazu muss man wissen, dass eine Krebserkrankung mitunter eine Blutungsneigung verursachen kann. Die Blutungsneigung kann durch den Tumor selbst ausgelöst sein, wenn dieser die Gefäße schädigt. Dies ist z. B. bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich, Lungen-, Magen- und Darmkrebs gefürchtet. Häufiger hängt das erhöhte Blutungsrisiko jedoch mit der Krebstherapie (Chemotherapie, Bestrahlung) zusammen. Als Folge der Therapie kann die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) herabgesetzt und damit die Blutgerinnung gestört sein. Man bezeichnet dies als Thrombozytopenie. Damit kann die medikamentöse Thrombosetherapie bei Krebspatienten zum Balanceakt zwischen Thromboserisiko und Blutungsrisiko werden. Der Arzt wird sehr genau den Nutzen der Thrombosebehandlung und -vorbeugung gegen das Risiko möglicher Blutungen abwägen und individuell entscheiden, welche Antikoagulanzien wann und wie lange gegeben werden. Der Wille des Patienten spielt dabei selbstverständlich auch eine Rolle.
Begleitend zur medikamentösen Behandlung mit Gerinnungshemmern erfolgt meist eine Kompressionstherapie mit Kompressionsverbänden oder speziellen Kompressionsstrümpfen. Die Verbände bzw. Strümpfe üben von außen Druck auf die Venen aus und unterstützen dadurch den Blutfluss. Auf diese Weise werden Beschwerden, die durch den Blutstau entstehen, gelindert.
Thrombose vorbeugen
Besser als jede Behandlung ist die Vorbeugung. Auf viele Risikofaktoren für eine Venenthromboembolie haben wir keinen direkten Einfluss. Allerdings haben die Gesundheit und der Schutz unserer Blutgefäße viel mit unserem Lebensstil zu tun. Nach einer Krebsdiagnose rückt ein gesünderer Lebensstil bei vielen Betroffenen ins Bewusstsein. Gelingt es, sich ausgewogen mit viel Obst und Gemüse zu ernähren, viel zu trinken, auf das Rauchen zu verzichten und sich regelmäßig zu bewegen, trägt dies auch dazu bei, das Risiko für eine Venenthrombose zu senken. Empfehlenswert ist außerdem eine spezielle Venengymnastik.
Weitere Informationen zu Thrombose und speziell zu Thrombose und Krebs finden Sie auf der neuen Website der Deutschen Seniorenliga: www.thrombose-krebs.de. Mit der Informationskampagne möchte die Deutsche Seniorenliga Patienten dafür sensibilisieren, Anzeichen für Thrombose wahrzunehmen, frühzeitig zum Arzt zu gehen und die Möglichkeiten der Thrombosebehandlung sowie -vorbeugung zu nutzen.