Künstliche Intelligenz in der Medizin
Chancen der Digitalisierung
Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz hat unser Leben und unseren Alltag bereits verändert und wird sie weiter verändern. Viele sehen neben den Chancen, die diese Technologie u. a. im Bereich der Medizin bietet, auch Risiken. Etwa wenn es um Fragen zum Schutz von Patientendaten geht oder zur Verantwortung für medizinische Entscheidungen. Als Ergänzung und zur Unterstützung der ärztlichen Diagnose hat KI zweifelsfrei großes Potenzial.
Künstliche Intelligenz, kurz: KI, ist die Zukunftstechnologie schlechthin. Gemeint ist damit die Fähigkeit einer Maschine, menschenähnliche Intelligenzleistungen zu erbringen. Dazu gehören logisches Denken, Lernen und das eigenständige Bearbeiten von Problemen. KI-Systeme können z. B. aus den Daten, die sie empfangen, Muster erkennen. Diese Muster wertet das Computerprogramm aus und kann die nachfolgenden Reaktionen entsprechend anpassen. Das ist nichts anderes als ein stetiger Lernprozess. Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannte künstliche neuronale Netzwerke. Denn sie machen es möglich, dass in kurzer Zeit große Datenmengen verarbeitet und Zusammenhänge festgestellt werden können.
Künstliche neuronale Netzwerke
Die Funktionsweise künstlicher neuronaler Netzwerke ist den natürlichen Lernprozessen des Gehirns nachempfunden. Die etwa 86 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) des menschlichen Gehirns stehen über Synapsen miteinander in Kontakt. Die Synapsen an den Enden der Nervenzellen empfangen Reize und übertragen diese an andere Zellen. Beim Lernen entstehen neue Reize und damit neue Nervenverbindungen, so dass sich das neuronale Netz verändert und bestimmte Hirnareale aktiver werden. Künstliche neuronale Netzwerke sind ganz ähnlich aufgebaut. Hier sind die Knotenpunkte, die ebenfalls als Neuronen bezeichnet werden, über Algorithmen, also mathematische Formeln, miteinander verbunden. D. h., ein Neuron empfängt Informationen, sprich: Daten, berechnet diese und leitet das Ergebnis weiter. Eine hoch frequentierte Verbindung bildet in diesem Fall den Lernprozess ab.
Wie gut das funktioniert, können wir mittlerweile in verschiedenen Bereichen erleben. Künstliche neuronale Netzwerke können z. B. Sprache verstehen und Texte übersetzen und werden, je häufiger wir sie benutzen, immer besser darin.
Die wichtigsten Begriffe zur künstlichen Intelligenz
- Künstliche Intelligenz (engl.: Artificial Intelligence) ist ein Teilgebiet der Informatik. Sie befasst sich damit, wie ein Computer intelligentes menschliches Verhalten nachahmen kann. Dabei ist weder festgelegt, was „intelligent“ bedeutet, noch, welche Technik zum Einsatz kommt.
- Künstliche neuronale Netze sind Modelle des maschinellen Lernens. Vorbild sind die natürlichen neuronalen Netze des Gehirns. Künstliche neuronale Netze bestehen aus vernetzten Berechnungseinheiten, die als künstliche Neuronen bezeichnet werden. Mit Hilfe von Beispielen verändert ein Lernalgorithmus die Vernetzung zwischen den Neuronen so lange, bis das neuronale Netz gute Ergebnisse liefert.
- Deep Learning bzw. tiefes Lernen beschreibt die Umsetzung eines maschinellen Lernverfahrens in Form eines künstlichen neuronalen Netzes, das aus einer Vielzahl künstlicher Neuronen zusammengesetzt ist. Die Erzeugung der für das Lernen relevanten Merkmale erfolgt selbstständig. Tiefes Lernen ist verantwortlich für die Erfolge in der Sprach- und Text-, Bild- und Videoverarbeitung. Entscheidend ist, dass Deep Learning insbesondere dann gut funktioniert, wenn besonders große Datenmengen – Big Data – zum Training neuronaler Netze verfügbar sind.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS, eines der führenden Wissenschaftsinstitute auf den Gebieten künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Big Data in Deutschland und Europa. www.iais.fraunhofer.de
KI-Systeme in der Früherkennung und Diagnostik
Im Gesundheitssektor kommen KI-Systeme z. B. bei medizinischen Bildanalysen zum Einsatz und sind dort den menschlichen Fähigkeiten mittlerweile oft überlegen. Geschult mit Hunderttausenden von Fotos bzw. Röntgen-, MRT- oder CT-Bildern, können die Algorithmen spezifische Merkmale von Krankheiten, Abweichungen und Auffälligkeiten objektiv erfassen. Eingesetzt wird die KI-gestützte Bildanalyse beispielsweise schon bei der Diagnose von Hautkrebs.
Auch bei der Früherkennung verschiedener Krankheiten kann KI hilfreich sein. So liefern z. B. MRT-Scans des Gehirns dem KI-System ausreichend Daten, um das biologische Alter des Menschen zu bestimmen. Das kann aus unterschiedlichen Gründen interessant sein. Denn wenn das Netzwerk das biologische Alter des Hirns höher einschätzt, als es tatsächlich ist, kann dies auf mögliche Erkrankungen oder Verletzungen hinweisen. So weiß man u. a., dass Gehirne von Menschen mit bestimmten Erkrankungen wie Diabetes oder starken kognitiven Einschränkungen in einem biologisch schlechteren Zustand und damit „älter“ sind.
Auch eine Risikoabschätzung für Herzinfarkt und Schlaganfall ist über eine Bildanalyse möglich. Dazu muss man wissen, dass ein Bild vom Augenhintergrund etwas über den Zustand unserer Blutgefäße verraten kann. Am Augenhintergrund, dem sogenannten Fundus, sind feinste Blutgefäße (Arteriolen und Venolen) direkt sichtbar. Sind hier Veränderungen z. B. im Durchmesser der Arteriolen und Venolen oder auffällige Schlängelungen erkennbar, so sind dies Anzeichen dafür, dass das Gefäßsystem insgesamt geschädigt ist. Während die Auswertung der Bilder einer Augenspiegelung für den Augenarzt sehr aufwendig ist, kann dies ein KI-System recht schnell und präzise erledigen.
Prognosen zu Krankheitsverläufen
Neben der Diagnostik und Früherkennung ermöglicht KI eine Einschätzung von Krankheitsverläufen. Bei der Diagnostik, z. B. Blutuntersuchungen, bildgebenden Verfahren oder Gewebeproben, sowie bei der Messung der Vitaldaten (Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Körpertemperatur) fallen jede Menge patientenspezifische Daten an, die Auskunft über den Gesundheitszustand geben. Die Auswertung dieser Daten und das Erkennen von Zusammenhängen kann am besten ein KI-System leisten.
KI in der medizinischen Forschung
Eine immer bedeutendere Rolle spielt KI in der medizinischen und pharmazeutischen Forschung. Will man z. B. ein neues Arzneimittel gegen eine bestimmte Erkrankung entwickeln, so sucht man zunächst in einem Pool von Substanzen nach einem geeigneten Wirkstoff, der möglichst gezielt in das Krankheitsgeschehen eingreift. Mit Hilfe von KI lässt sich viel schneller herausfinden, welche Wirksubstanzen dies leisten und außerdem noch vorgegebene Eigenschaften erfüllen. Nur an diesen Kandidaten wird dann weiter geforscht. Dies beschleunigt ganz erheblich den Entwicklungsprozess neuer Medikamente.
Chancen erkennen, Vorbehalte abbauen
Dass KI-Systeme unser Leben immer stärker beeinflussen werden, steht wohl außer Frage. Die Anwendungsgebiete der KI werden sich weiter ausweiten und auch die Leistungsfähigkeit der Systeme wird immer besser werden. Im medizinischen Bereich sind dadurch weitere Fortschritte in der Diagnostik und Behandlung zu erwarten. Damit KI allerdings flächendeckend in der medizinischen Versorgung eingesetzt werden kann, muss erst einmal die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangetrieben werden. Auch datenschutzrechtliche Fragen sowie Standards und Voraussetzungen für medizinische KI-Systeme gilt es zu klären.
Zugleich muss das Vertrauen in diese Technologie und die Akzeptanz vonseiten der Patientinnen und Patienten noch wachsen. Eine Umfrage des TÜV-Verbands zeigt, dass viele Menschen in Deutschland noch skeptisch sind. 66 Prozent der Befragten sehen allgemein Chancen durch KI-Anwendungen für die Gesundheit. Kommen KI-Systeme jedoch bei der eigenen Gesundheitsversorgung zum Einsatz, sinkt das Vertrauen. Dann gehen nur noch 41 Prozent davon aus, dass KI beim Verdacht auf eine ernste Krankheit die richtige Diagnose stellen kann. Zum Vergleich: Exakt den gleichen Vertrauensvorschuss genießen Bekannte, die bereits ähnliche Symptome hatten und von ihren Erfahrungen erzählen. Einer Ärztin oder einem Arzt wird im Ernstfall die höchste Kompetenz zugesprochen. Hier liegt die Vertrauensquote bei 81 Prozent. Erstaunlicherweise sinkt diese jedoch auf 67 Prozent, wenn diese Ärztin oder dieser Arzt von KI unterstützt wird. „Hier könnte sich die Angst vor dem Unbekannten, vor dem nicht Nachvollziehbaren zeigen“, vermutete Mark Küller, Referent für Medizinprodukte beim TÜV-Verband. „Wenn ein Arzt vor mir in ein Fachbuch schaut, kann ich das im Zweifel nachlesen. Was aber die KI macht, erscheint mir als Patient immer als Black Box.“
Um die Vorbehalte gegenüber medizinischen KI-Anwendungen abzubauen, braucht es mehr Aufklärung und Transparenz. Es würde z. B. helfen, wenn nachvollziehbar ist, auf welchen Grundlagen die KI zu ihren Ergebnissen kommt. Und auch das sollte deutlich werden: Das Ziel von KI in der Medizin ist nicht, Behandlungsentscheidungen von Ärzten und Ärztinnen zu ersetzen. Vielmehr dient KI als wertvolle Ergänzung und stellt ein zusätzliches Instrument für die individuelle Diagnose und Behandlung dar.
Quellen:
- Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig,
www.cbs.mpg.de/de - Deutsche Gefäßliga e. V.,
www.deutsche-gefaessliga.de - TÜV-Verband e. V.,
www.tuev-verband.de