Cholesterinsenker in Lebensmitteln

Cholesterinsenker in LebensmittelnNutzen unbelegt, Gefahren ignoriert!

Cholesterinsenkende Medikamente bescheren der Pharmaindustrie jährlich Umsätze in Milliardenhöhe. Seit einigen Jahren drängen auch die großen Lebensmittelhersteller auf diesen boomenden Markt. Von der Milch über Schnittkäse, Joghurtdrinks bis hin zu besonderem Brot. In einer Reihe funktioneller Lebensmittel sind so genannte Pflanzensterine enthalten. "Senken nachweislich den Cholesterinspiegel" ist auf den Packungen zu lesen. So vermitteln sie den Eindruck, der Gesundheit ganz besonders förderlich zu sein.

Bis heute jedoch ist der Nachweis des tatsächlichen Nutzens einer Cholesterinsenkung, ob durch Medikamente oder Lebensmittelzusätze, nicht erbracht. Die Senkung des Cholesterins soll der Arteriosklerose (Verstopfung der Blutgefäße) und damit Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße vorbeugen. Nachgewiesen ist bisher lediglich die Senkung des Cholesterinspiegels. Für einen hieraus resultierenden lebensverlängernden Effekt gibt es keinerlei Belege. Mit der nachgewiesenen Cholesterinsenkung allein auf einen relevanten Nutzen zu schließen ist so, als würde man ein energiesparendes Auto ausschließlich an der Gewichtsreduktion gegenüber dem Vorgängermodell und nicht anhand einer Verbrauchsmessung bestimmen. Die Gewichtsreduktion alleine sagt zunächst nichts über den Energieverbrauch aus.

Ähnlich verhält es sich beim Cholesterin: Während der Nutzen nicht belegt ist, gibt es sogar Hinweise darauf, dass die Senkung negative Wirkungen zeigen kann: So könnten niedrige Cholesterinspiegel Gefäßschäden begünstigen, Krebs fördern (1) oder die Hirnleistung einschränken. Schließlich ist das Nachlassen des Erinnerungs- und Konzentrationsvermögens möglich (2). Bis heute ist die Bedeutung eines erhöhten Cholesterinspiegels nicht geklärt, es gibt sogar Vermutungen, dass solche Erhöhungen eher eine Abwehrreaktion gegen bestehende Gefäßschäden sein könnten. Ein erhöhter Cholesterinspiegel wäre in solchen Fällen sogar sinnvoll. Bei der Untersuchung verstorbener Patienten konnte keinerlei Zusammenhang zwischen erhöhtem Cholesterinspiegel und dem Ausprägungsgrad von Gefäßschäden festgestellt werden (3).

Die medikamentöse Cholesterinsenkung unterliegt aus gutem Grund einer ärztlichen Kontrolle. Ganz anders verhält es sich bei der Verwendung von Lebensmitteln mit Pflanzensterinen. Einer Untersuchung des Bundesinstituts für Risikoabwehr (BfR) und der Verbraucherzentralen aus dem Jahr 2007 zeigte, dass fast die Hälfte der Verwender gar keinen erhöhten Cholesterinspiegel hat. Sie verwenden die Produkte in der Hoffnung, etwas Gutes für sich zu tun. Die Umfrage zeigte auch, dass mehr als 20% der Nutzer mehr als ein Produkt verwenden, in einigen Fällen waren es sogar vier oder mehr Produkte (4). Dabei enthält die Tagesportion eines Produkts bereits die empfohlene Höchstmenge von 3 g an Pflanzensterinen. Zum dem Aspekt, dass Cholesterinsenkung an sich schon umstritten ist, kommt hier also noch die Gefahr einer Überdosierung und Fehlverwendung. Aktuelle Studien zeigen, dass Pflanzensterine gefäß- und herzschädigend sein könnten, weil sie sich in Gefäßen und Herzklappen ablagern (5-9). Die Forderung des Bundesinstituts für Arzneimittelsicherheit BfA, aus diesem Grund auch keine weiteren Pflanzensterin-Lebensmittel zuzulassen, ist angesichts der schon jetzt bestehenden Produktpalette zu spät und auch rechtlich höchst aussichtslos. Einzige Abhilfe im Sinne des Verbraucherschutzes wäre ein totales Verbot des Zusatzes von Pflanzensterinen in Lebensmitteln oder wenigstens ein deutliche Kennzeichnung mit Warnhinweis.

Aber auch das neue EU-weite Health-Claim-Zulassungsverfahren spielt eher den Herstellern in die Hände: Die Bestätigung der Rechtmäßigkeit des Führens eines Health-Claims, also einer gesundheitsfördernden Wirkungsbehauptung zu einem Produkt, führt sehr wahrscheinlich eher zu einem noch weniger regulierten Verbrauch dieser Produkte – unter Inkaufnahme einer ganzen Reihe naheliegender Risiken.

(1): Shepherd J, Blauw GJ, Murphy MB, et al. Pravastatin in elderly individuals at risk of vascular disease (PROSPER): a randomised controlled trial. Lancet 2002; 360, 1623–1630

(2) Cognitive impairment associated with atorvastatin and simvastatin. Pharmacotherapy. 2003 Dec;23(12):1663-7

(3): Cholesterin ist für die Atherosklerose ohne Bedeutung. Die Ergebnisse von Autopsien stützen die Lipidhypothese nicht. Gebbers JO. Ars Medici. 1998;88:564-9

(4): Lebensmittel mit Pflanzensterinzusatz in der Wahrnehmung der Verbraucher. B. Niemann, C. Sommerfeld, A. Hembeck, C. Bergmann, 2007

(5): Assmann G, Cullen P, Erbey J, Ramey DR, Kannenberg F, Schulte H. Plasma sitosterol ele-vations are associated with an increased incidence of coronary events in men: results of a nested case-control analysis of the Prospective Cardiovascular Münster (PROCAM) study. Nutr Metab Cardiovasc Dis. 2006 Jan;16(1):13-21. Epub 2005 Jul 28.

(6): Helske S, Miettinen T, Gylling H, Mäyränpää M, Lommi J, Turto H, Werkkala K, Kupari M, Kovanen PT. Accumulation of cholesterol precursors and plant sterols in human stenotic aortic valves. J Lipid Res. 2008 Jul; 49(7):1511-8. Epub 2008 Apr 8.

(7): Rajaratnam RA, Gylling H, Miettinen TA. Independent association of serum squalene and noncholesterol sterols with coronary artery disease in postmenopausal women. J Am Coll Cardiol. 2000 Apr; 35(5):1185-91.

(8): Thiery J, Ceglarek U., Fiedler GM, Leichtle A, Baumann S, Teupser D, Lang O, Baumert J, Meisinger M, Loewel H, and Doering A. Abstract 4099: Elevated Campesterol Serum Levels - a Significant Predictor of Incident Myocardial Infarction: Results of the Population-based MONICA/KORA Follow-up Study 1994 to 2005 Circulation, Oct 2006; 114: II_884.

(9): Weingärtner O, Lütjohann D, Ji S, Weisshoff N, List F, Sudhop T, von Bergmann K, Gertz K, König J, Schäfers HJ, Endres M, Böhm M, Laufs U. Vascular effects of diet supplementation with plant sterols. J Am Coll Cardiol. 2008 Apr 22; 51(16):1553-61.

Quelle: Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz - Info Gesundheit e.V. (BGV)